In letzter Zeit häufen sich die Fragen, warum ich bestimmte Dinge nicht tue, die man doch als im Internet aktiver Mensch heutzutage so tut. Schließlich bin ich ja schon seit über 10 Jahren im Internet aktiv, auch wenn es damals noch nicht so sehr um Blogs, Twitter, Facebook und Co ging.
Warum komme ich nicht zur re:publica nach Berlin, warum war ich noch auf keinem EduCamp, warum habe ich keinen Facebook-Account, warum kann man mich nicht bei Google+ finden und warum bin ich kein glühender Verfechter der Piratenpartei? Vielleicht kann ich hier versuchen, diese Fragen zu beantworten.
Warum ich nicht zur re:publica fahre:
Ehrlich? Ich glaube, ich weiß gar nicht so genau, was die re:publica eigentlich ist. Ich nehme wahr, dass das eine Art Bloggermesse oder Bloggerkonferenz sein muss. Möglicherweise auch eine Netzaktivistenkonferenz. Ich weiß aber nicht, warum ich mich mit anderen Bloggern auf einer Konferenz treffen soll? Ich verstehe dieses Blog hier so, dass ich hier reinschreibe, was ich interessant finde. Wenn ihr das dann auch interessant findet, fein. Wenn nicht, auch fein. Das ist alles irgendwie nichts, weswegen ich auf eine Konferenz müsste. Und ein Netzaktivist bin ich auch nicht. Was auch immer das sein mag, ein Netzaktivist. Keine Ahnung. Genau so, wie ich einen Rasenmäher besitze und ihn einsetze, nutze ich auch das Internet. Ist halt ein Werkzeug. Ich bin ja auch kein Rasenmäheraktivist ;-) Vielleicht spielt das Netz einfach eine zu geringe Rolle in meinem Leben, als dass ich ernsthaft darüber nachdenken würde, zu einer Netzkonferenz zu gehen?
Warum ich noch auf keinem EduCamp war:
Weil ich das Gefühl habe, dass ich da genau so wenig hingehöre wie auf die re:publica. Ich weiß gar nicht so genau, was an einem EduCamp so grandios ist. Ich glaube, das geht es nicht nur um den Computer im Unterricht, sondern irgendwie so um alles was mit Schule zu tun haben könnte. In der Fernwahrnehmung stellen sich EduCamps für mich so ein bisschen wie lustige Debattierclubs dar. Vielleicht ist das aber auch ganz anders. Bisher habe ich jedenfalls noch nie den Impuls verspürt „Komm, stell einen Antrag bei der Schulleitung, damit Du zum EduCamp in XXX fahren kannst.“ Aber vielleicht kommt das noch? Ich werde jedenfalls weiter mitlesen, was so über die einzelnen EduCamps im Netz veröffentlicht wird.
Warum ich keinen Facebook-/Google+-Account habe:
Hatte ich beides mal. Habe ich als sinnlose Zeitverschwendung empfunden. Mag daran liegen, dass ich Kommunikation um der Kommunikation willen für wenig sinnvoll erachte. Oder weil ich einfach noch klar unterscheide zwischen „Menschen, die ich im echten Leben kenne und dort auch treffe“ und „Menschen, an deren Leben ich nur virtuell teilhabe“. Erstere sind mir irgendwie wichtiger. Das ist oldschool? Ja, kann schon sein. Ich komm halt vom Dorf. Nachtrag: Inzwischen habe ich wieder einen Facebook-Account. Da steht aber nur mein Name drin? Warum ich das gemacht habe? Man hat mir erklärt, es sei vielleicht nicht ganz dumm, unter dem Namen „Sebastian Dorok“ bei Facebook aufzutauchen, damit niemand anderes dort behaupten kann, er sei ich. Ist vielleicht nicht völlig dumm.
Warum ich beim Gedanken an die Piratenpartei nicht ausflippe:
Weil ich nicht glaube, dass die Piratenpartei die politischen Heilsbringer (s. Wikipedia: Hype-Zyklus) sind, für die viele sie halten. In meinen Augen reicht es nicht, damit zu kokettieren, dass man noch nicht zu allem eine Meinung habe und dass das ja ehrlich sei und deswegen auch sympathisch. Das ist zwar menschlich. Aber ich glaube nicht, dass das Grundlage für eine Regierung sein kann. Ja, klar, die Menschen freuen sich, dass Politiker wieder hemdsärmelig auftreten und sagen „Da haben wir uns noch keine Meinung zu gebildet“. Das ist ja auch alles soweit ganz niedlich. Aber irgendwann muss man halt dann doch mal Stellung beziehen. Wann und wie das bei den Piraten passieren wird bleibt abzuwarten.
Liquid Feedback halte ich vor allem für Demokratismus. Nur weil jeder zu allem eine Meinung haben kann, hat er oder sie davon noch lange keine Ahnung. Ich hab ja auch keine Ahnung von der deutschen Handelsflotte. Ich wünsche mir aber, dass es Politiker gibt, die das haben.
Ich gehe davon aus, dass die Piratenpartei nun nach und nach in die einzelnen Landtage einziehen wird, weil ihr klares Bekenntnis zum Internet und den darin verbreiteten Kommunikationsformen derzeit ein Alleinstellungsmerkmal ist, das viele Menschen anziehend finden. Ich gehe aber auch davon aus, dass die Piraten, einmal in den Landtagen vertreten, in der Wahrnehmung verschwinden werden, weil sie nichts von dem, was sie derzeit so fordern werden durchsetzen können. Darauf wird Ernüchterung bei den Wählern eintreten und bei der nächsten Landtagswahl werden die Zahlen dann wieder zurückgehen.
Vielleicht irre ich mich da aber auch. Dann sind die Piraten wirklich die neuen Grünen und in 15 Jahren kann sich keiner mehr vorstellen, dass es die Piraten mal nicht gegeben hat. Warten wir’s ab.
Warum schreibst Du keinen Gastblogeintrag für das Blog X oder Y?
Weil das hier mein Blog ist und weil ich hier blogge. Wenn Du etwas von meinen Sachen interessant findest, dann darfst Du gerne darauf verlinken oder die Texte selber verwenden, solange Du Dich an die Lizenzbestimmungen für dieses Blog hältst. Wenn Du Texte für Deinen Blog brauchst, dann schreib sie halt selber.
Sollten in Zukunft weitere Fragen gehäuft auftreten, werde ich diesen Beitrag sukzessive ergänzen. Vielleicht kann er die ultimative Anlaufstelle sein, wenn man wieder die Frage kommt: „Warum machst Du eigentlich (nicht) … ?“
Du sprichst mir aus der Seele. Danke dafür!
You’re welcome ;-) Bin ich also doch nicht ganz alleine mit meiner Oldschooleinstellung?!
I like Oldschool!
„Mag daran liegen, dass ich Kommunikation um der Kommunikation willen für wenig sinnvoll erachte. “
Toll formuliert. Den werde ich mit merken wenn mal wieder jemand fragt warum ich ebenfalls nicht mehr bei FB oder G+ bin.
Sag Bescheid, wenn das Treffen der Rasenmäheraktivisten stattfindet!
Wenn ich nicht grad bei den Klavieraktivisten bin werde ich kommen ;)
Hallo Sebastian,
nein, es wird dich auch zukünftig keiner zwingen. Kannst Du gerne so machen – Du Abstinenzler! :)
Trotzdem wäre es schön, wenn man sich – zum Beispiel im Rahmen eines EduCamps – mal wieder sehen würde. Was der Reiz davon ist, erschließt sich oft erst vor Ort. Mir zumindest machen diese Veranstaltung deutlich mehr Spaß als manch eine „Fortbildung“, die man in München damals® erlebt hat… Und es kommt auch mehr bei rum :)
Herzliche Grüße,
Felix
Zwingen wollte mich auch noch nie jemand. Hab ich auch nicht so empfunden. Aber die Frage „Bist Du beim EduCamp/bei der re:publica/re:learn dabei?“ kam schon öfter mal. Auch Kollegen denken, ICH sei ja wohl der ultimative Piratenwähler. Dann immer, womöglich über Twitter in 140 Zeichen, zu erklären „Nee, weißte, weil…“ fand ich doch müßig ;-)
Was das EduCamp angeht: Ich hab da auch einfach das Gefühl, dass mich da die Themen nicht so wahnsinnig reizen. Zumindest nicht so, dass ich dafür ein Wochenende (Freizeit ist ja doch ein sehr hohes Gut) für investieren mag. Aber ich behalte das auf jeden Fall im Auge, vielleicht kommt der „Kick“ ja noch.
Was München angeht: Das waren ja irgendwie keine Fortbildungen in dem Sinn. Aber da war, so sagt man glaube ich heute in der Netzwelt, ganz viel „Flausch“ ;-)
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